Weberei F. A. Kreißig & Sohn - page 30

Vor der Haustuer angelangt, zueckte „Spott“ die Stimmgabel und schon
erschallten im Duett die schoensten erzgebirgischen Weihnachtslieder bis
sich die Tuer oeffnete und ein Kuchenpaket herausgereicht wurde. Mit
guten Wuenschen fuer ein gesundes Wiedersehen im naechsten Jahr
verabschiedete man sich und wenn der Korb voll war, trottete man wieder
heimwaerts. Angelangt, wurde ein maechtiges Feuer im Kanonenofen
entfacht und dann setzte man sich zu dritt, der Kater gehoerte natuerlich
auch in die Runde, hin zum schmaussen und ass so lange bis wirklich nichts
mehr rein ging und man regelrecht krank war, (der Kater mit). Dann schlief
man die Nacht und den naechsten ganzen Tag durch, bis man wieder
gesund war. Ich erinnere mich, wiederholte Male „Spott“ am
Montagabend aus dem Bett geholt zu haben, weil ihn mein Vater zum
Pakete fahren zur Post brauchte. „Spott“ kam auch immer mit der
Bezahlung seiner Einkommensteuer in Verzug. Es waren damals im Jahr
nur wenige Pfennige, die die Arbeiter selbst zum Rathaus bringen mussten.
Nach vielen erfolglosen Mahnungen wurde „Spott“ eines Tages zum
Buergermeister befohlen. Dieser machte ihm Vorhaltungen und nach
einem langen Sermon, den „Spott“ ohne Widerrede ueber sich ergehen
liess sagte er nur: Herr Buergermeister, ich verzichte! Drehte sich um und
ging hinaus.
Gleich im Nebenhaus von uns wohnte ein altes kinderloses Ehepaar, der
Meister Hochmuth hatte einen Handwebstuhl von uns in der Kueche
stehen und seine Frau machte ihm die Spulen.
Bald nachdem ich laufen konnte ging ich schon rueber zu ihnen, die alten
Leutchen hatten mich in ihr Herz geschlossen und verwoehnten mich mit
kleinen Leckereien. Ich mag 4 bis 5 Jahre alt gewesen sein als ich mich
dann schon zu dem Meister in den Webstuhl setzte, ich konnte ihm
stundenlang zuschauen, wie er mit der Handschnelle in der rechten Hand
den Schuetzen hinueber und herueberwarf, mit der linken Hand die Lade
mit dem Webeblatt zu sich heranzog bis sie den Schussfaden an den bis
dahin schon fertigen Stoff angeschlagen hatte und sie dann wieder
zurueckschob. Mit dem einen Fuss trat er den Fussschwengel, wodurch in
der Jachuardmaschine immer ganz bestimmte Kettfaeden angehoben
wurden, die dann das Webefach bildeten in das der Schussfaden durch den
Schuetzen eingelegt wurde. Sobald ich es mit meinen kleinen Fingerchen
erst bewerkstelligen konnte, legte ich in einen 2ten Reserveschuetzen die
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