Weberei F. A. Kreißig & Sohn - page 33

Erst seine Verpflichtungen einloesen, dann an sich selbst denken. Damit
hat er es fertig gebracht seine grosse Familie standesgemaess zu erziehen
und auszustatten.
Unser Wohn- und Geschaeftsgrundstueck hatte mein Grossvater Friedrich
August Kreissig schon vor 1850 erworben, es war ein ueber 20 mtr breites
Wohnhaus an der Hartensteiner Strasse und einem grossen Garten mit
vielen alten Obstbauemen, der bis an die Gruene Strasse reichte und in
dem an der Strasse 4 Wohnhausser Platz gehabt haetten. Ich habe 1925
die Fabrik hineingebaut. Grossvater hatte das Haus gekauft, um sich darin
als Webermeister selbstaendig zu machen.
Zuenaechst fing er an fuer einen Hohensteiner Fabrikanten Westenstoffe
im Lohn herzustellen, bis er 1856 seine eigene Firma gruendete und auf
eigene Rechung herstellte und verkaufte, in 2 grossen Stuben standen also
zu Anfang unserer Firmengeschichte ca 8 Handwebstuehle, auf denen
Gesellen beschaeftigt wurden. Die Vor- und Nebenarbeiten wie Treiben,
Spulen Fransenknuepfen etc. verrichteten meine Grossmutter und ihre 5
aeltesten Toechter, mein Vater war das juengste Kind und der einzige
Sohn. Nach den Erzaehlungen meines Vaters muss es unter diesen Gesellen
manchmal ausgesprochene Sonderlinge, um es mild auszudruecken,
gegeben haben.
Es war durchaus nichts Ungewoehnliches, dass sich diese Gesellen
montags einen gruenen Salshering an die Webstuhlwand nagelten,
taeglich ihr trockenes Brot daran abstrichen, um am Sonnabend den Rest
des Herings zu verzehren, damit das Spiel am Montag wieder beginnen
konnte.
Einer der Gesellen hat aus dem Krieg 1870/71 gegen Frankreich
Gewehrpatronen mitgebracht. Eines Tages viel es ihm ein, sie seinen
Kollegen vorzufuehren. Er steckte eine in einen Webschuetzen, wobei sie
explodierte und ihm einen Finger abriss.
Ein anderer von ihnen hatte die Gewohnheit, oder wohl richtiger gesagt,
den Spleen in regelmaessigen Abstaenden einige Male im Jahr festlich
gekleidet im schwarzen Gehrock, mit Cylinder auf dem Kopf zur Arbeit zu
erscheinen. Zu meinem Grossvater sagte er dann: "Herr Stadtrat, heute
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