Weberei F. A. Kreißig & Sohn - page 29

Mannesjahre und an ein glueckliches Familienleben, das im wirklichsten
Sinne des Wortes, ueber Nacht, auseinander gerissen wurde.
Diese Erinnerungen an die nachfolgende Generation (oder vielleicht sogar
Generationen) weiterzugeben ist der Sinn ihrer Aufzeichnung.
Ich bin in einer grossen Familie aufgewachsen, war der Aelteste von 9
Geschwistern, 5 Jungens und 4 Maedchen. Das war viel schoener und
interessanter, als es heute in den kleinen Familien ist. Es gab in meiner
fruehen Kindheit noch keine Wasserleitung im Haus, kein Gas, kein
elektrisches Licht, kein Telefon, ganz zu schweigen von Radio oder gar
Fernsehen. Wir Geschwister wurden selbstverstaendlich zu allerhand
Handreichungen fuer die Mutter herangezogen, da meine Mutter nur eine
Waschfrau hatte. Die Waesche wurde im grossen Garten, der bis zur
naechsten Strasse durchging, zwischen dicke alte Obstbaeume gehaengt.
Sonnabends kam eine Scheuerfrau und sonntags frueh, vor dem Kirchgang,
kam "Spott“, das Faktotum in Geschaeft und Haus, zum Putzen der Schuhe
der ganzen Familie. „Spott“, mit seinem richtigen Familiennamen Weber
und auch von Beruf Weber, hatte einen Handwebstuhl, von uns, zu Hause
stehen. Er wohnte in einem ebenerdigen Raum eines Hinterhauses, der
keine Dielen hatte und der ihm, seiner Frau Miene und der Katze als Wohn-
, Arbeits-, Schlafraum und Kueche diente. Von der sesshaften Arbeit im
Webstuhl hielt „Spott“ nicht viel und es war ihm viel lieber wenn er fuer
meinen Vater Botengaenge, Postfahren und andere Hilfsarbeiten
verrichten konnte. Er half auch beim Kartoffel legen und ausnehmen. Wir
bebauten viele Jahre zwei Pachtfelder mit Kartoffeln und Korn, da wir jedes
Jahr 2 Schweine selbst maesteten und schlachteten, Huehner, Tauben und
in Kriegszeiten auch Milchziegen hielten. "Spott“ war, wie gesagt, ueberall
dabei und trank gern Schnaps, jedesmal, wenn er einen hinterkippte,
machte er die Augen dabei zu. Von ihm ist noch zu erzaehlen, dass er mit
seiner Miene alle Jahre wieder an den Advents Sonntagen "Kuchensingen"
ging. Er steckte die Stimmgabel in seinen Mantel und die Miene schnallte
sich den Tragkorb auf den Ruecken.
Damit gings los und hinaus auf die naechsten Doerfer im Umkreis von 5 bis
8 km von Callnberg. Dort wurden sie schon von ihrer staendigen
Kundschaft erwartet, es waren dies natuerlich nur die Auserlesenen, wie
der Doktor, der Apotheker, der Fabrikant und manchmal auch der Pastor.
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