Weberei F. A. Kreißig & Sohn - page 31

weisse Schussspule ein und zog den Faden durch das Oer, Meister
Hochmuth konnte dadurch ohne Unterbrechung weiterarbeiten.
Das ist wohl eine meiner am weitesten zurueckreichenden
Kindheitserinnerungen.
Sobald ich erst zur Schule ging wurde auch ich schon von meinem Vater zu
Botengaengen zu den Heimwebern herangezogen. Dadurch lernte ich sie
nach und nach alle keen, wusste wo sie wohnten, wie sie lebten und
welche besonderen Gewohnheiten und Eigenheiten sie hatten. Ich kam
dadurch zu den Meisten in ein nettes freundschaftliches Verhaeltnis und
hielt mich auch wohl da und dort laenger auf als noetig war. Mit nur ganz
wenigen Ausnahmen waren sie alle fleissige und ehrbare Webersleute, die
sehr anspruchslos und sparsam lebten und die bei dem doch damals
wirklich noch recht kargen Lohn ihre Spargroschen in der Truhe oben in der
Kammer hatten. Im Durchschnitt brachte es ein Heimweber auf ca. 15
Mark in der Woche und nur wenige Spitzenarbeiter brachte es auf ueber
20 Mark. Und doch haben es bei diesem Verdienst einige geschafft, sich ein
eigenes Haus zu kaufen oder zu bauen, sie beanspruchten dazu nur eine
kleine Hypothek von ihrem Fabrikanten.
Bis zum ersten Weltkrieg 1914 klapperten in fast jedem Haus in Callnberg
mehrere Webstuehle, in Lichtenstein etwas weniger, weil dort um 1900
herum schon einige Textilfabriken, neben Webereien auch Strumpf,
Trikotagen - und Strickfabriken entstanden waren.
An den Heimweber Karl Jenus, der Junggeselle war, erinnere ich mich noch
sehr genau, weil er mich immer in eine Unterhaltung verwickelte.
Wiederholt erzaehlte er mir, dass er noch nie Eisenbahn gefahren waere
und es wuerden ihn auch keine zehn Pferde in so ein Feuer speiendes
Dampfross bringen.
In der Gartenstrasse, schreag gegenueber von ihm wohnte ein anderer
unserer Weber in einem eigenen Haus, er war sehr fleissig, sodass seine
Frau kaum mit den Spulen machen nachkam. War manchmal eine dabei,
die nicht bis zum letzten Ende glatt ablief, sodass er sie aus dem Schuetzen
heraus nehmen musste, flog sie prompt seiner Frau an den Kopf. Seitlich
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