Weberei F. A. Kreißig & Sohn - page 34

kommt Seine Durchlaucht der Fuerst von Schoenburg-Waldenburg mich
besuchen". Sprachs, ging in den Keller und wartete dort den ganzen Tag
vergeblich aber unverdrossen auf ihn.
Das Schloss Lichtenstein gehoerte diesem Fuerst, der im Schloss
Waldenburg wohnte und in Lichtenstein nur zeitweilig residierte.
Lichtenstein war auch der Ruhe- und Altensitz der verwitweten
Fuerstinenen, denen dafuer ein geraeumiges Palais in unmittelbarer
Nachbarschaft des Schlosses zur Verfuegung stand. Ein Idyllischer grosser
Schlosspark mit uralten maechtigen Eichen und Buchen umschloss all die
Baulichkeiten, zu denen auch Wirtschaftsgebaeude, Marstall und
Schlossgaertnerei gehoerten. Gern sind wir da oben spazieren gegangen
und haben auch regelmaessig am 2ten Oster- und Pfingstfeiertag die
Waldgottesdienste im Park besucht schon damals in meiner Kindheit mit
unseren Eltern und spaeter wir, mit unseren Kindern. Es war Tradition, dass
sich an den Gottesdienst der Waldspaziergang anschloss, der mit
bekannten Familien unternommen wurde. Das Ziel war einmal der
Naturheilvereins Garten an der Strasse nach Bernsdorf das andere Mal das
Garten Restaurant an der Strasse nach Hohndorf. Immer war es ein
grosses Fest fuer die Kinder, denn es gab das so begehrte Zuckerbier und
koestliche warme Wuerstchen. Wenn sich solche Gewohnheiten ueber zwei
Generationen erhalten konnten, so sieht man wie wenig und wie nur sehr
langsam sich die Zeiten aenderten; das Auto hatte eben doch noch nicht
das geruhsame Leben der Kleinstaedter aendern koennen.
Als wir 1922 geheiratet hatten zogen wir in das Haus meiner Grossmutter
am Markt in Lichtenstein und hatten vom Fenster aus direkt den Blick auf
die Treppen, die zum Schloss hinauffuehrten, es wären genau 197 Stufen
und wir haben sie oft gezaehlt. In nur 150 meter Entfernung wuchs der
gruenbestandene Schlossberg direkt aus den Hausern des kleinen
Staedchens auf, gekroent von dem alten, ehrwuerdigen und wuchtig
wirkenden Schloss. Ein Anblick, der mich immer wieder Anzog und es war
auch der letzte Blick, den ich in eine ungewisse Zukunft mitnahm, als ich
Maerz 1951 fliehen musste.
Das Schloss ist sicher urspruenglich als Raubritterburg gebaut worden,
denn es stand beherrschend unmittelbar ueber der damals wichtigen Heer
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